Donnerstag, 16. April 2015

John de Mol äußert sich zum "NEWTOPIA" Skandal

John de Mol im Bild Interview

(c)SAT.1


John de Mol (59), TV-Milliardär und Erfinder von „Newtopia“, „The Voice“ und „Big Brother“, nimmt erstmals Stellung zu den Vorwürfen nach dem Schummeltopia-Chaos. Was ist echt - was ist gestellt?

BILD: Erklären Sie uns bitte, was passiert ist!

John de Mol: „Ich habe es direkt am Montagmorgen erfahren. Sonntagnacht um 2 hat sich jemand entschlossen, in die Scheune reinzulaufen, um mit den 15 Pionieren zu reden und bewusst Einfluss zu nehmen. Das ist eine außerordentliche Entscheidung, weil ich persönlich davon nichts wusste!“
BILD: Aber wie wir jetzt annehmen dürfen, scheint diese Affäre gängige Praxis zu sein. Werden wir Zuschauer verarscht?

John de Mol: „Nein! In Holland, wo dieses Format seit fast anderthalb Jahren läuft, habe ICH zweimal entschlossen, dass wir reingehen MÜSSEN, weil ich es für absolut notwendig hielt. Es wurde im ersten Fall, von den Pionieren in wirklich jedem Satz ein Schimpfwort benutzt. Alles war dort plötzlich ,fucking' - ,fucking schön', ,fucking dies', ,fucking das'. Ich fand das schrecklich, weil diese Leute eine Vorbildfunktion haben sollen. Sie wurden also lediglich darauf hingewiesen, dass sie auf ihre Sprache Acht geben müssen. Beim zweiten Fall war das Wetter leider so gut, dass alle nur faul in der Sonne lagen. Keiner war mehr mit der Grundidee von ,Newtopia' beschäftigt, dem Gründen einer neuen Gesellschaft.“

BILD: Ja, aber warum wurde jetzt in Deutschland - mitten in der Nacht - so massiv Einfluss genommen?

John de Mol: „Ich kann nicht 24 Stunden aufpassen. Warum genau unsere Executive Producerin dieses Gespräch führen wollte, weiß ich noch nicht. Ich werde sie am Freitag treffen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“
BILD: Macht Sie das wütend?

John de Mol: „Naja, wütend... Ich bin in Holland gerade ständig im Studio. Ich konnte mich bislang nicht in alle Details vertiefen. Was ich weiß, ist, dass in dieser Nacht die Atmosphäre durch alkoholische Getränke aggressiv geworden war. Auch das gehört zu ,Newtopia'. Ich habe das auch Sat.1 erklärt: Man kann nichts erreichen ohne heiße Konfrontation und Streit. Aber offensichtlich machte man sich darüber Sorgen. In Holland läuft es seit 14 Monaten - mit Zoff und sehr erfolgreich. Das gehört dazu - und ist auch Teil eines Erfolges ?“

BILD: Wie oft haben die Bewohner denn nun wirklich Kontakt mit Mitarbeitern der Produktionsfirma - und wie groß ist der Einfluss?

John de Mol: „Jeden Tag müssen einmal die Batterien für die Mikrofone ausgetauscht werden. Dies passiert in einem Technikraum, wo selbstverständlich geredet wird. Es kann passieren, dass dort Tipps gegeben werden oder Hinweise. Die Pioniere werden auf ihre Vorbildfunktion hingewiesen, darauf, dass sie tatsächlich etwas tun müssen, um zu reüssieren: ,Vergesst nicht, mit welchen Zielen wir dieses Projekt angefangen haben. Macht etwas draus - nutzt eure Chance'!“

BILD: Existiert ein Drehbuch? Ist es also ,Scripted Reality'?

John: „Nein, natürlich nicht! Es gibt doch jetzt schon Gerüchte, da wäre in Wirklichkeit eine Kantine, wo alle lecker essen können. Und schöne Duschen. Das ist alles Quatsch. Wir haben den Pionieren allerdings den Tipp gegeben, sie könnten versuchen, ein Restaurant zu eröffnen, um Geld zu verdienen. Sie können gerne mitkommen und hinter jede Tür gucken, um diese idiotischen Gerüchte zu beenden.“
BILD: Sind wir dumm und naiv als Zuschauer, wenn wir glauben, dass Reality-TV tatsächlich real ist?
John de Mol: „Es gibt so viele Reality-Formate, dass es äußerst schwer ist, auf so eine einfache Frage eine befriedigende Antwort zu geben. Ich kann nur über ,Newtopia' reden. Von allen Reality-Projekten ist ,Newtopia' mit Sicherheit am wenigsten beeinflusst. Es ist also real. Es wird nur bisweilen gesagt: ,Hey, Leute, Ihr habt hier einen Job zu machen - also erfüllt eure Aufgabe! Ihr und wir haben ein Ziel. Deswegen habt ihr euch beworben. Ihr wurdet gecastet, ausgewählt - und verliert das nicht aus den Augen.' Was die damit machen, ist die alleinige Entscheidung der Pioniere.“

BILD: Die Vorwürfe lauten auf Schummel, Fake und Lüge! Das Gespräch Sonntagnacht wurde innerhalb weniger Stunden zur Katastrophe und Grundsatzdiskussion über Reality-TV. Es enthüllt das System hinter den Kulissen.

John de Mol: „Kennen Sie den ,Domino Day'? Das war auch ein Mega-Erfolg in Deutschland. WIR kippen den ersten Stein von 200 000 - der Rest geschieht von selbst. SO funktioniert Fernsehen! Der Tipp, ein Restaurant in ,Newtopia' zu eröffnen, um endlich Geld zu verdienen, ist so ein Dominostein, den wir umkippen. Es könnte eine Initialzündung sein, muss es aber nicht.“
BILD: Verstehen Sie, wenn Zuschauer ihr Vertrauen in Fernsehen erschüttert sehen?
John de Mol: „Nein, das verstehe ich überhaupt nicht. Ich mache gerne Vergleiche mit Fußball: Wenn ein einziger Schiedsrichter beim Fußball gekauft wird, heißt das doch nicht, dass der ganze Fußball ein Riesenbetrug ist. Es ist und bleibt ein Einzelfall.“
BILD: Wie groß würden Sie den Schaden beziffern?

John de Mol: „Ich habe Montag noch fast gelacht, weil ich niemals gedacht hätte, dass dieser Vorfall ein solches Erdbeben auslösen würde. Die deutsche Presse ist sehr streng. Wir überlegen uns allerdings im Moment mit Sat.1, ob wir den Zuschauern eine größere Rolle für ,Newtopia' geben sollen. Also dass Sie am Bildschirm mitentscheiden und Impulse geben können, ob Pioniere rein oder raus müssen oder Vorschläge machen für Projekte, die dann erfüllt werden können.“

BILD: Gibt es Stress zwischen Talpa und Sat.1?

John de Mol: „Nein, unser Verhältnis ist ungetrübt. Wir haben täglich Kontakt.“
BILD: Die nach eigenen Angaben betrunkene Executive Producerin gilt als sehr erfahren. Sie wurde jetzt beurlaubt. Was für Konsequenzen wird es noch geben?
John de Mol: „Sie war vom ersten Tag bei ,Newtopia' extrem zuverlässig, sehr loyal und total motiviert. Ich werde mich vertiefen in die Materie. Es muss schon etwas Schlimmeres passiert sein als das, was wir heute wissen, um sie zu entlassen. Dafür ist sie zu lange da und ihre Fehler nicht groß genug.“

BILD: War sie vielleicht übermotiviert?

John de Mol: „Ich würde es definitiv als menschliches Versagen bezeichnen. Sie hat einen Anruf bekommen, dass die Atmosphäre drohen würde, zu aggressiv zu werden. Sie hat sich sofort ins Auto gesetzt und selbst entschieden, rein zu gehen. Diese Entscheidung, die impulsiv getroffen wurde, war falsch. Sie wollte vermutlich die Situation retten. Außerdem können wir uns sicher sein: DIESEN Fehler wird sie bestimmt NIE wieder machen...“
BILD: Sie stehen für absolute Perfektion in Bezug auf Fernsehen ? Das kann man jetzt nicht behaupten.

John de Mol: „Mein Wunsch, perfekt zu sein, wurde hier nicht erfüllt - und das tut mir ein bisschen weh. Ich habe mich zu Beginn fast drei Wochen sehr intensiv um ,Newtopia' gekümmert, danach musste ich meine Aufmerksamkeit wieder allen meinen Aufgaben widmen.“
BILD: Bedeutet dies alles das Ende von „Newtopia“?

John de Mol: „Nein, auf keinen Fall. Es geht weiter.“

BILD: Würden Sie „Newtopia“ trotzdem als Erfolg bezeichnen?

John de Mol: „Das ist viel zu früh. Ich habe auch nicht gefeiert, als es in der ersten Woche gigantisch gute Quoten gab. Meine Erfahrung sagt mir, das ist völlig normal. ,Newtopia' ist ein langfristiges Projekt. Ein Fußballspiel dauert zweimal 45 Minuten. Wir haben bei ,Newtopia' erst fünf Minuten gespielt ?“

BILD: Welche persönlichen Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Affäre?
John de Mol: „In Holland sprechen wir von einer ,ministeriellen Verantwortung'. Wenn die Beamten des Ministers einen Fehler machen, liegt die Verantwortlichkeit im Endeffekt immer beim Minister. Ich bin bei ,Newtopia' der Minister, also bin ich verantwortlich. Ich stelle mir natürlich die Frage: Hätte ich es verhindern können? Die Antwort lautet für mich: Nein. Es ist plötzlich und unerwartet geschehen. Aber Sie können sicher sein: So ein Fehler wird mir nie wieder passieren.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen